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Steuert zukünftig der Netzbetreiber oder Stromlieferant meinen Energieverbrauch?

Der Wandel unserer Energieerzeugung von fossilen Energieträgern hin zu Erneuerbaren Energien mit volatiler Stromerzeugung erfordert auch die intelligente Nutzung des erzeugten Stroms. Wenn also von der Steuerung von Verbrauchern die Rede ist, wird genau diese Notwendigkeit adressiert.

Als Beispiel dafür wird gerne die Waschmaschine genutzt: Unter „steuern“ versteht man hierbei die zeitliche Verschiebung der Energienutzung, also, den Start des Waschgangs. Eine erste Maßnahme dafür sind variable bzw. dynamische Tarife. Durch solche Tarife sollen die Verbraucher angeregt werden, Strom zu nutzen, wenn dieser günstig ist. Wenn dieses Anreizsystem jedoch nicht ausreicht, ist der Netzbetreiber in der Pflicht aktiv zu werden, um die Netzstabilität zu gewährleisten.

Dynamische Tarife

Bei dynamischen Tarifen, die keinen festen Kilowattstundenpreis vorgeben, sondern an den Strombörsenpreis gekoppelt sind, wird dem Kunden im einfachsten Fall die Preisentwicklung transparent gemacht. Das geschieht oft über eine App. Dadurch kann dieser seinen Verbrauch entsprechend planen und anpassen, was natürlich auch das Starten der Waschmaschine einschließen kann. Besonders interessant sind jedoch größere Verbraucher wie der Ladevorgang eines Elektroautos.

Die Komplexität steigt, wenn die Planung und Steuerung automatisiert erfolgen soll. Hier kommen Systeme ins Spiel, die als Energy-Management-System (EMS) oder Home-Energy-Management-System (HEMS) bezeichnet werden. Es gibt bereits Lösungen, die mehr oder weniger automatisiert den Stromverbrauch von Wallboxen, Wärmepumpen und anderen Geräten unter Berücksichtigung der eigenen Photovoltaik-Stromerzeugung oder der Preisentwicklung intelligent steuern können. Dabei fließen nicht nur der Strompreis, sondern auch das Nutzerverhalten und externe Einflussfaktoren wie Wetterprognosen mit in die Berechnung ein.

Netzbetreiber, PMax und der §14a EnWG

Variable Tarife sind eine gute Maßnahme, um unser Verbrauchsverhalten im Alltag im Hinblick auf Verbrauchskosten zu optimieren. Aber was ist, wenn in einem Netzabschnitt zur Sicherstellung der Netzstabilität eine kurzfristige Anpassung des Stromflusses zwingend erforderlich ist?

Mit der Zunahme von PV-Anlagen, Wärmepumpen und E-Autos ist die fortschreitende Elektrifizierung in Wohngebäuden angekommen. Daher wird auch der Niederspannungsbereich, der lange Zeit als ‚Black-Box‘ der Energieversorgung galt, relevanter für die Netzstabilität und muss bei der Steuerung des Netzes berücksichtigt werden. Verantwortlich dafür ist der jeweilige Netzbetreiber, der nun mit dem flächendeckenden Rollout der intelligenten Messsysteme auch über die geeigneten Netzinformationen und Eingriffsmöglichkeiten verfügt. Wann der Netzbetreiber eingreifen darf und welche Maßnahmen er durchführen kann ist im Energiewirtschaftsgesetzt (EnWG) geregelt. Insbesondere §14a soll den zukünftigen Umgang mit „steuerbaren Verbrauchseinrichtungen“ oder „steuerbaren Netzanschlüssen“ regeln.

Zu den steuerbaren Verbrauchseinrichtungen zählen Verbrauchseinrichtungen mit einer Leistung über 4,2 kW, z. B. Wallboxen oder Wärmepumpen. Haushaltsgeräte gehören nicht dazu. In angespannten Netzsituationen soll der Netzbetreiber zukünftig die Option haben, die entsprechenden Verbrauchseinrichtungen kurzfristig auf 4,2 kW (Mindestleistung) zu begrenzen. D. h. der Netzbetreiber regelt diese Verbrauchseinrichtungen nicht komplett ab, sondern reduziert ihre Leistung vorübergehend, sodass z. B. das Elektroauto langsamer geladen wird. Als Ausgleich für diese Leistungsreduktion erhält der Kunde vergünstigte Netznutzungsentgelte, entweder in Form einer Pauschale oder einer Senkung des Arbeitspreises. Die Leistungsreduzierung erfolgt über das Smart-Meter-Gateway (SMGW) und eine angeschlossene Steuerungseinheit und wird durch den „aktiven Externen Marktteilnehmer“ (aEMT) ausgeführt.

Eine weitere Option ist es, anstelle der direkten Drosselung einer spezifischen Verbrauchseinrichtung ein Energiemanagement einzusetzen. In diesem Fall würde der Netzbetreiber dem EMS, das oft als Steuergerät im Gebäude ausgeführt ist, das jeweils aktuell zulässige Leistungsmaximum (PMax) mitteilen. Das EMS übernimmt dann die Kommunikation zu den nachgelagerten Anlagen und regelt diese ‚intelligent‘. Dabei berücksichtigt das EMS nicht nur alle eingebundenen Anlagen und Geräte, sondern auch Prognosen und Nutzerverhalten. Auf diese Weise kann es die Einhaltung des Leistungsmaximums bei gleichzeitig maximalem Nutzerkomfort gewährleisten. In diesem Bereich wird derzeit intensiv geforscht und entwickelt, um Netzoptimierung und Nutzerkomfort erfolgreich zu kombinieren. Der überarbeitete §14a sieht diese Option, des steuerbaren Netzanschlusses, bereits vor. In beiden Fällen gilt, dass der Eingriff des Netzbetreibers nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein soll.

Ausblick

Durch die fortlaufende Entwicklung von intelligenten Lösungen können wir im Alltag unser Verbrauchsverhalten im Sinne des Energiesystems optimieren und damit die Energiewende unterstützen. Der Eingriff des Netzbetreibers hilft in angespannten Netzsituationen das Netz zu entlasten und ermöglicht die zunehmende Elektrifizierung im Niederspannungsbereich. So sollen zum Beispiel mehr Ladepunkte hinter einem Netzanschlusspunkt oder in einem Straßenzug ermöglicht werden. Die gute Nachricht ist also, dass in der Forschung und Entwicklung intensiv an technischen Lösungen gearbeitet wird, die Nutzen und Komfort in den Fokus stellen. Für deren Einsatz ist nun auch die gesetzliche Grundlage geschaffen. Die weniger erfreuliche Nachricht ist, dass wir vorerst unsere Wäsche wohl noch selbst machen müssen.

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Carola Ochs

Product Manager, imovis

Seit 2017 entwickelt Carola Ochs Produktstrategien rund um SMGW und CLS. Nach Stationen bei PPC und beyonnex.io treibt sie Produkt- und Innovations-Strategien für imovis: vom wettbewerblichen Messstellenbetrieb bis zu PV-Konzepten für Mehrfamilienhäuser.

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