Kooperation statt Komplexität – Warum Stadtwerke vom Zusammenschluss mit wettbewerblichen Messstellenbetreibern profitieren
Stadtwerke als Herzstück der kommunalen Daseinsvorsorge
Stadtwerke sind weit mehr als Energieversorger. Sie sind zentrale Akteure der kommunalen Daseinsvorsorge und leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Lebensqualität in ihren Regionen. Neben der Strom- und Gasversorgung übernehmen sie häufig auch die Wasserversorgung, Abfallwirtschaft, Straßenbeleuchtung, den Betrieb von Schwimmbädern, Sportanlagen und Freizeitstätten sowie Aufgaben im öffentlichen Nahverkehr und der kommunalen Infrastruktur.
Ihr Fokus liegt auf dem Gemeinwohl, nicht auf Gewinnmaximierung. Sie sind nah an den Bürgern, kennen die lokalen Bedürfnisse und bieten ein breites Leistungsspektrum – oft mit begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen. In Zeiten des Fachkräftemangels wird es zunehmend schwieriger, dieses Portfolio aufrechtzuerhalten und gleichzeitig neue Aufgaben zu übernehmen.
Der Smart Meter Rollout als zusätzliche Herausforderung
Mit dem Rollout moderner Messeinrichtungen und intelligenter Messsysteme (iMSys) kommt eine weitere komplexe Aufgabe hinzu. Der Betrieb von iMSys unterscheidet sich grundlegend vom klassischen Zählereinbau. Es müssen hochspezialisierte IT-Systeme eingeführt, Sicherheitsanforderungen erfüllt und neue Rollen wie der Gateway-Administrator (GWA) etabliert werden. Hinzu kommen Zertifikatshandling, Marktkommunikation mit neuen Akteuren wie dem Energieserviceanbieter (ESA), die Umsetzung neuer Messkonzepte und die Bereitstellung von Endkundenlösungen wie Visualisierungs-Apps.
Besonders herausfordernd ist der Einbau auf Kundenwunsch. Viele gMSB verfügen nicht über die nötigen Prozesse, um kurzfristige Einbauten oder individuelle Terminvereinbarungen effizient umzusetzen. Gleichzeitig steigt der Anspruch der Kunden, aktiv an der Energiewende teilzunehmen – etwa durch die Nutzung dynamischer Stromtarife, die Integration von PV-Anlagen, Wärmepumpen oder die Umsetzung von Mieterstromkonzepten. Damit diese nachhaltigen Energiekonzepte Realität werden können, muss der Kunde stärker in den Fokus rücken und frühzeitig Zugang zu den nötigen Technologien erhalten.
Gerade kleinere gMSBs mit weniger als 100.000 Netzkunden sind personell und strukturell oft nicht darauf ausgelegt, diese Anforderungen zu stemmen. Sie sind in der Regel nicht unbundelt, was bedeutet, dass sie nicht über spezialisierte Einheiten verfügen, sondern alle Aufgaben unter einem Dach bewältigen müssen – anders als große Konzerne mit klar abgegrenzten Geschäftsfeldern und besseren finanziellen Ressourcen.
Wie groß die Herausforderung für die gMSB ist, zeigt sich auch in der aktuellen Rolloutgeschwindigkeit. Wie der Rolloutbericht der BNetzA zeigt, wurden die gesetzlich vorgesehenen Rolloutquoten deutlich verfehlt. Auch die Bundesregierung räumt ein, dass insbesondere kleinere gMSB Schwierigkeiten haben, die komplexen technischen und organisatorischen Anforderungen zu erfüllen. Der stockende Rollout ist damit ein sichtbares Symptom für die strukturelle Überlastung vieler gMSB – und unterstreicht die Notwendigkeit neuer Kooperationsmodelle.
Warum die Kooperation zwischen gMSB nicht zielführend ist
Die gesetzlich eröffnete Möglichkeit zur Kooperation zwischen gMSB gemäß §45 Abs. 3 MsbG erscheint auf den ersten Blick sinnvoll. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich: Diese Regelung birgt erhebliche Risiken. Denn sie erlaubt, dass die Rolloutquote nicht mehr im jeweiligen Netzgebiet erfüllt werden muss, sondern durch Übererfüllung in anderen Regionen ausgeglichen werden kann.
Das führt zu einer systematischen Ungleichbehandlung: Während Kunden in einigen Netzgebieten frühzeitig von neuen Anwendungen profitieren, bleiben andere Regionen zurück. Für Bürger ist das schwer nachvollziehbar, für Anbieter von Energielösungen kaum praktikabel – und für die flächendeckende Digitalisierung des Stromnetzes kontraproduktiv. Die Energiewende darf nicht davon abhängen, in welchem Netzgebiet man wohnt.
Zudem sind viele gMSB strukturell ähnlich aufgestellt – eine Kooperation untereinander löst nicht die grundlegenden Probleme wie fehlende IT-Infrastruktur, mangelnde Skalierbarkeit oder unzureichende Prozessdigitalisierung. Es ist absehbar, dass sich mittelfristig einige wenige große gMSB mit ausreichend Kapital und Ressourcen durchsetzen werden und den Markt unter sich aufteilen werden. Diese Entwicklung führt zu einer zunehmenden Marktkonzentration: kleinere gMSB geraten ins Hintertreffen und auch der einst explizit gewollte Wettbewerb wird faktisch ausgehebelt – und mit ihm die Innovationskraft. Konzentriert sich der Markt auf wenige große gMSB, bestimmen diese, welcher Funktionsumfang verfügbar ist. Das bremst die Dynamik im Markt und gefährdet die Vielfalt die essenziell ist, um neue Technologien, kundennahe Lösungen und flexible Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen.
Kooperation mit wMSB als strategischer Hebel für gMSB
Für gMSB, insbesondere kleinerer Stadtwerke, bietet die Zusammenarbeit mit wMSB eine echte Entlastung und strategische Chance. Die meisten wMSB sind überregional tätig, verfügen über spezialisierte Teams, ein breites Geräteportfolio und die nötige IT-Infrastruktur. Sie sind darauf ausgelegt, komplexe Anforderungen effizient umzusetzen – und das oft mit deutlich höherer Geschwindigkeit und Flexibilität.
Aus Sicht der gMSB ergeben sich folgende konkrete Kooperationsmöglichkeiten:
- Ausstattung im Netzgebiet durch wMSB:
gMSB können wMSB gezielt mit der Ausstattung von Messlokationen im eigenen Netzgebiet beauftragen – insbesondere in kleineren Netzen, wo eigene Kapazitäten begrenzt sind. Der wMSB übernimmt den Rollout vor Ort, während der gMSB die strategische Steuerung behält. - Übernahme spezifischer Messlokationen:
Der wMSB kann gezielt für bestimmte Messlokationen eingesetzt werden – etwa dort, wo besondere technische Anforderungen bestehen, wie schlechter Mobilfunkempfang oder komplexe bauliche Gegebenheiten. Dank breiterem Geräteportfolio und Erfahrung kann der wMSB diese Standorte effizient erschließen. - Umsetzung komplexer Messkonzepte:
Messkonzepte wie Mieterstrom oder Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung erfordern komplexe Berechnungen und Marktprozesse. Der wMSB bringt hier oft bereits erprobte Lösungen mit – inklusive Kooperationen mit Solarteuren oder spezialisierten Dienstleistern. - Teilweise Leistungsauslagerung:
Die Kooperation kann modular gestaltet werden: Der gMSB übernimmt z. B. weiterhin die Montage der Geräte, während der wMSB den Betrieb, die Marktkommunikation und die Gateway-Administration übernimmt. - Integration von Kundenlösungen:
Der wMSB kann Endkundenlösungen wie Visualisierungs-Apps bereitstellen, die der gMSB in seine Kundenkommunikation integriert. So wird der Kundenfokus gestärkt, ohne dass eigene Softwarelösungen entwickelt werden müssen.
Diese Form der Zusammenarbeit ist nicht nur technisch sinnvoll, sondern auch strategisch klug. Sie ermöglicht es Stadtwerken, ihre Rolle als kommunale Versorger zu stärken, ihre Kunden besser zu bedienen und gleichzeitig die Digitalisierung der Netze aktiv voranzutreiben.
Fazit: Kooperation als Schlüssel zur Energiewende
Die Energiewende gelingt nur, wenn alle Akteure – auch die Kunden – aktiv eingebunden werden. Stadtwerke spielen dabei eine zentrale Rolle, stoßen jedoch zunehmend an ihre Grenzen. Die Kooperation mit wMSB bietet eine praktikable Lösung, um den Smart Meter Rollout effizient umzusetzen, Kundenwünsche zu erfüllen und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Gesetzgeber und Branche sollten diese Möglichkeit gezielt fördern, um die Digitalisierung der Netze und die Transformation der Energieversorgung gemeinsam voranzutreiben.