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Direktvermarktung von Strom: Modelle, Unterschiede zur EEG-Vergütung und technische Grundlagen

Die Direktvermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien gewinnt für Anlagenbetreiber immer mehr an Bedeutung. Sie bietet die Möglichkeit, Strom nicht mehr nur über die klassische EEG-Einspeisevergütung zu vergüten, sondern aktiv am Markt teilzunehmen und von schwankenden Börsenpreisen zu profitieren. Doch welche Modelle gibt es, worin unterscheidet sich die Direktvermarktung von der EEG-Vergütung, und welche technischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden?

Die verschiedenen Modelle der Direktvermarktung

Es gibt mehrere Formen der Direktvermarktung, die sich je nach Anlagengröße, Förderstatus und gewünschtem Geschäftsmodell unterscheiden:

  • EEG-Direktvermarktung nach dem Marktprämienmodell:
    Anlagen, die Anspruch auf die EEG-Einspeisevergütung haben, können ihren Strom über einen Direktvermarkter verkaufen. Der Betreiber erhält dann den Marktwert des Stroms vom Direktvermarkter und zusätzlich die Marktprämie vom Netzbetreiber. Die Summe aus Marktwert und Marktprämie entspricht mindestens dem EEG-anzulegenden Wert. Für Neuanlagen ab 100 kW Leistung ist die Direktvermarktung verpflichtend (§21 EEG), für Bestandsanlagen bleibt sie optional.
  • Sonstige Direktvermarktung:
    Hier wird Strom außerhalb des EEG-Fördersystems zum Marktpreis ohne weitere Förderung an der Börse verkauft (§21a EEG), zum Beispiel nach Ablauf der EEG-Förderung. Das Vermarktungsrisiko liegt beim Direktvermarkter, der flexibel auf Marktchancen reagiert. Im Unterschied zur Direktvermarktung im Marktprämienmodell bleibt allerdings bei der sonstigen Direktvermarktung die Grünstromeigenschaft des direktvermarkteten Stroms erhalten.

Unterschied zur klassischen EEG-Einspeisevergütung

Während bei der EEG-Einspeisevergütung der Strom einfach an den Netzbetreiber geliefert und zu einem festen, staatlich garantierten Tarif vergütet wird, setzt die Direktvermarktung auf marktbasierte Erlöse:

  • EEG-Einspeisevergütung:
    • Fixe Vergütung pro eingespeiste Kilowattstunde
    • Keine Marktpreisrisiken
    • Einfache Abwicklung über den Netzbetreiber
  • Direktvermarktung:
    • Erlöse orientieren sich am aktuellen Börsenpreis   
    • Zusätzliche Marktprämie gleicht bei Bedarf die Differenz zum EEG-Wert aus  
    • Potenziell höhere Erlöse, aber auch Preisrisiken   
    • Mehr Aufwand und technische Anforderungen

Die Direktvermarktung ermöglicht es Betreibern, von Marktpreisschwankungen zu profitieren und die Wirtschaftlichkeit ihrer Anlage langfristig zu steigern. Gleichzeitig bietet das Marktprämienmodell eine finanzielle Absicherung, da die Summe aus Marktwert und Marktprämie nie unter den EEG-anzulegenden Wert fallen darf.

Technische Grundlagen und Rolle des Messstellenbetreibers

Für die Teilnahme an der Direktvermarktung sind bestimmte technische Voraussetzungen notwendig:

  • RLM-Zähler oder intelligentes Messsystem (iMSys):
    Für Anlagen ab einer bestimmten Größe (> 100 kWp) ist ein registrierender Leistungsmesser (RLM-Zähler) oder, bei Anlagen unter 100 kWp ein intelligentes Messsystem (iMSys) vorgeschrieben. Diese erfassen die tatsächliche Einspeisung in Viertelstundenintervallen und ermöglichen eine präzise Abrechnung.
  • Fernsteuerbarkeit der Anlage:
    Die Anlage muss fernsteuerbar sein, um auf Netz- und Marktsignale reagieren zu können. Dies ist insbesondere bei Anlagen >25 kWp Pflicht.
  • Ist-Einspeisung
    Für Anlagen größer 25 kWp muss der Abruf der Ist-Einspeisung der PV-Anlagen ermöglicht werden.

Der Messstellenbetreiber ist für den Einbau, die Wartung und den Betrieb der Zähler verantwortlich. Er stellt sicher, dass die Messdaten korrekt erfasst und an den Netzbetreiber sowie den Direktvermarkter übermittelt werden. Die Fernsteuerbarkeit der Anlage und Erfassung der Ist-Einspeisung wird heute noch oftmals über alternative Technik und Schnittstellen realisiert. Zukünftig sollten diese Anwendungsfälle jedoch auch über das intelligente Messsystem abgedeckt werden.

Regulatorische Ziele

Das Ziel der aktuellen Regulatorik für PV-Anlagen ist es, die Netze stabil zu halten und den Ausbau erneuerbarer Energien markt- und systemkompatibel zu gestalten. Die neuen Regelungen – insbesondere das sogenannte Solarspitzengesetz – wurden eingeführt, weil das starke Wachstum der Photovoltaik in Deutschland dazu führt, dass an sonnigen Tagen häufig mehr Strom produziert wird, als das Netz aufnehmen kann. Dies kann zu Netzüberlastungen und negativen Strompreisen führen.

Dazu wurden unter anderem folgende Maßnahmen eingeführt:

  • Smart Meter und Steuerboxen werden für neue PV-Anlagen ab 7 kWp Pflicht, damit Netzbetreiber die Einspeisung bei Bedarf drosseln können.
  • Bei negativen Strompreisen wird keine Einspeisevergütung mehr gezahlt – die Vergütung fällt also zeitweise aus, um Anreize zur Einspeisung bei Netzüberlastung zu reduzieren. Um den Betreibern dennoch eine faire Vergütung zu sichern, wird die Förderdauer entsprechend verlängert.
  • Die Direktvermarktung wird für kleinere Anlagen unter 100 kWp entbürokratisiert und erleichtert, bleibt aber freiwillig. Es gibt keine Pflicht für alle Anlagen, in die Direktvermarktung zu gehen.
  • Für größere Anlagen (über 25 kW) ist eine Fernsteuerbarkeit verpflichtend, insbesondere wenn sie in die Direktvermarktung wechseln

Das Ziel ist also nicht, alle PV-Anlagen zukünftig in die Direktvermarktung zu zwingen, sondern die Einspeisung flexibler und netzdienlicher zu gestalten. Die Direktvermarktung wird attraktiver gemacht und für Kleinanlagen erleichtert, bleibt aber weiterhin freiwillig. Die Regulatorik schafft Anreize, Strom dann einzuspeisen, wenn das Netz ihn auch aufnehmen kann, und fördert so die Systemstabilität

Fazit

Die Direktvermarktung bietet Anlagenbetreibern die Möglichkeit, ihre Erlöse zu erhöhen und flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren. Sie unterscheidet sich grundlegend von der klassischen EEG-Einspeisevergütung durch die marktbasierte Vergütung und die zusätzliche Marktprämie. Für die Teilnahme sind technische Voraussetzungen wie Fernsteuerbarkeit, präzise Messsysteme und der Abruf der Ist-Einspeisung erforderlich.

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Christian Wehrmaker

Leitung Produkt & Innovation, imovis

Seit 2021 treibt Christian Wehrmaker den Aufbau neuer Geschäftsfelder in unterschiedlichen Unternehmen der noventic group an der Schnittstelle zwischen Business und Technik. Seit 2023 verantwortet er für die imovis den Bereich „Produkt & Innovation“.

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